Urteil T-551/99 des Kolumbianischen Verfassungsgerichts SACHVERHALT
Die minderjährige Tochter des Klägers NN wurde mit einem femininen Scheinhermaphrodi-
tismus geboren. Die Ärzte empfahlen eine Remodellierung der Genitalien nach Vollendung
des zweiten Lebensjahres und eine anschließende Hormonbehandlung. Als der Vater, nach-
dem das Kind das entsprechende Alter erreicht hatte, um die Durchführung der Operation bat,
lehnten die Ärzte des ISS (Instituto de Seguros Sociales – Institut der Sozialversicherungen)
eine sofortige Operation aus organisatorischen Gründen ab und wiesen außerdem darauf hin,
daß die anschließend zu verabreichenden Medikamente Florinef oder Astronin nicht auf der
Medikamentenliste des regelmäßigen Gesundheitsplanes stünden.
Der Vater NN reichte Klage ein, und der Richter XX entschied am 29. Dezember 1998, daß
zum Schutz der Grundrechte der Tochter auf Gesundheit, soziale Sicherheit, freie Persön-
lichkeitsentwicklung und Gleichheit die zuständigen Ärzte innerhalb von 48 Stunden nach
Verkündung des Urteils die notwendigen Schritte zur Durchführung der Operation und nach-
folgenden medikamentösen Behandlung einzuleiten hätten.
Am 5. Februar 1999 wurde der Fall zur Prüfung durch das Verfassungsgericht ausgewählt.
Wie das Gericht erfuhr, war die Operation am 2. Februar durchgeführt worden. RECHTSGRUNDLAGEN
Um zu entscheiden, ob der Richter korrekt geurteilt hat, mußte das Verfassungsgericht die
Frage klären, ob die Zustimmung der Eltern anstelle des Kindes bei einer solchen Operation
legitim ist. Die Problematik wurde im jüngsten Urteil SU-337 von 1999 ausführlich und
systematisch analysiert. Es gab keinen Grund oder neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die
das Gericht zu einer Revision der in dem Urteil gefällten Entscheidungen veranlaßten. Das
Gericht präzisierte, daß eine elterliche Zustimmung anstelle des Kindes in solchen Fällen nur
zulässig ist, bis das Kind das Alter von fünf Jahren erreicht hat.
Da das Kind im vorliegenden Fall erst 2 Jahre alt war, war eine Einwilligung der Eltern an-
stelle des Kindes zulässig; das Verfassungsgericht mußte allerdings prüfen, ob es sich im vor-
liegenden Fall um eine qualifizierte und dauerhafte Zustimmung nach angemessener medizi-
nischer Aufklärung handelte. Im Urteil SU-337 wurde nicht detailliert dargestellt, worin eine
qualifizierte und dauerhafte Zustimmung besteht.
Es ist Aufgabe des Staates und der Mediziner, die Zustimmung der Eltern im Falle genitaler
Uneindeutigkeit so zu qualifizieren, daß ihre Entscheidung vor allem auf den Interessen des
Kindes gründet. Eine solche Qualifizierung kann nach Meinung des Gerichts durch bestimmte
Regelungen und medizinische Protokolle erreicht werden, die sich an drei Mechanismen
orientieren: (i) detaillierte Aufklärung, (ii) gesonderte Formalitäten und (iii) eine Zustimmung
in Etappen. Dadurch soll sichergestellt werden, daß die Person die Risiken und Möglichkeiten
von Behandlungen versteht und ihre Zustimmung überlegt gibt. Durch die Formalitäten (wie
z.B. schriftliche Zustimmung) wird die Bedeutung der Angelegenheit deutlich gemacht und
sichergestellt, daß die anderen Voraussetzungen erfüllt werden. Die Eltern müssen auch über
Alternativen und über die kontroverse Diskussion hinsichtlich des physischen und psycholo-
gischen Nutzens und Schadens solcher chirurgischen Eingriffe im Kindesalter informiert wer-
Außerdem sollten die Eltern die Entscheidung nicht im emotionalen Schmerz über das An-
derssein ihres Kindes, sondern mit einigem Abstand fällen, damit diese gefestigt und dauer-
Die genauen Bestimmungen für solche medizinischen Protokolle sollen die Mediziner nach
Maßgabe des Gesetzgebers entwerfen.
Im vorliegenden Fall überprüfte das Instanzgericht die elterliche Zustimmung nicht, weswe-
gen dieses Gericht prüfen muß, ob daher die Entscheidung zu revidieren ist. Dieses Gericht
verfolgte den Fall weiter, obwohl die Operation bereits stattgefunden hatte, um einen Rechts-
grundsatz zu etablieren und zu einer Vereinheitlichung der Rechtssprechung zu gelangen.
Das Gericht revidiert das Urteil des Instanzgerichts teilweise, weil die elterliche Zustimmung
nicht überprüft wurde; es bestätigt aber die Entscheidung des Richters, daß die sexuelle Iden-
tität und freie Entwicklung der Persönlichkeit dieser Angehörigen einer marginalisierten Min-
derheit durch den Staat besonders geschützt werden muß.
Das Gericht weist, wie bereits im Urteil SU-337 von 1999, darauf hin, daß sich die heutige
Gesellschaft hinsichtlich der Zweigeschlechtlichkeit in einer normativen und kulturellen
Übergangsphase befindet und gewisse normative Anpassungen notwendig und unausweich-
lich sind, um in bestmöglicher Weise den Herausforderungen zu begegnen, die die Intersexu-
alität an unsere pluralistischen Gesellschaften stellt.
1. Das Recht der Antragstellerin N.N. und ihrer Eltern auf Privatsphäre wird geschützt; aus
diesem Grund dürfen ihre Namen nicht veröffentlicht werden, der vorliegende Bericht
wird streng vertraulich behandelt und darf entsprechend Nr. 2 der Rechtsgrundlagen die-
ses Urteils nur von direkt Betroffenen eingesehen werden. Der Generalsekretär des Ver-
fassungsgerichts und der Geschäftsstellenleiters des Gerichts XX, das in diesem Fall in
erster Instanz entschied, sollen diesen strikte Vertraulichkeit garantieren.
2. Das Urteil des Instanzgerichts XX, das entschied, die Rechte der Minderjährigen auf Ge-
sundheit, soziale Sicherheit, freie Persönlichkeitsentwicklung und Gleichheit sowie ihre
Kinderrechte zu schützen, und die entsprechende Abteilung des ISS anwies, innerhalb von
48 Stunden nach Verkündung des Urteils die notwendigen Schritte zur Durchführung der
Operation einzuleiten, wird teilweise widerrufen.
3. Dieses Gericht schützt seinerseits aus den in diesem Urteil angegebenen Gründen die
Rechte der minderjährigen N.N. auf sexuelle Identität und freie Persönlichkeitsentwick-
lung. Daher muß die zuständige Stelle der ISS der Minderjährigen weiterhin die notwen-
digen Medikamente und Therapien zur Behandlung der Probleme im Zusammenhang mit
ihrer genitalen Uneindeutigkeit zur Verfügung stellen, wenn nötig auch psychotherapeuti-
4. Die Stelle der ISS kann gegen den kolumbianischen Staat Regreß hinsichtlich der zusätz-
lichen Kosten nehmen, die durch die Vergabe der Medikamente entstehen, die nicht im
regelmäßigen Gesundheitsplan enthalten sind.
Das Generalsekretariat veröffentlicht die Dokumente gemäß Artikel 36 der Verfügung
2591 aus dem Jahr 1991 und weist das Gericht XX an, das Urteil dem Vater der Antrag-
stellerin N.N. persönlich, aber mit der gebotenen Sorgfalt mitzuteilen, um die Intim- und
Residente de tercer año de Pediatría, HIGA San José de Pergamino Lactante de sexo masculino de dos meses de edad, que ingresa a nuestra sala de Pediatría con diagnóstico de atelectasia masiva. Refiere cuadro de 72 hs de evolución caracterizado por dificultad respiratoria e hiporexia. Antecedentes personales: fruto de un embarazo controlado, G1 P1, parto eutócico, RNT de 40 semanas de ge
SUMMARY. This article reports on two research projects and argues that current medication management research and practice does not represent the complexity of community-based psychotropic treatment. Ethnographic findings are used to demonstrate that a social grid of man- agement exists to negotiate medication ‘effect’ interpretation. Anthropo- logical and semi-structured interview data are