Positionspapier der ÖKG und ÖGTHC zu katheterunterstützten Herzklappeninterventionen
Task Force der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft und der Österreichischen Gesellschaft für Thorax- Herzchirurgie: Wilfried Wisser (Vorsitz), Harald Gabriel, Heinrich Mächler, Robert Maier, Edwin Maurer, Ludwig Müller, Thomas Neunteufl Zusammenfassung
Aufgrund der zunehmenden Verbreitung der katheterunterstützten Herzklappeninterventionen wird im Folgenden die Position der ÖKG und der ÖGTHC zu diesen Interventionen dargelegt. Zur Zeit werden katheterunterstützte Aorten- und Pulmonalklappenimplantationen sowie katheterunterstützte Maßnahmen zur Reduktion von Mitralklappeninsuffizienzen durchgeführt. Die Indikation sollte in jedem Fall gemeinsam von Kardiologen und Herzchirurgen gestellt werden. Die Eingriffe sollten nur in Zentren durchgeführt werden, in denen beide Fachdisziplinen etabliert sind. Katheterunterstützte Klappeninterventionen kommen bei Patienten mit angeborenen und erworbenen Herzklappenfehlern in Frage, bei denen operative Herzklappeneingriffe, wenn überhaupt, nur mit sehr hohem Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko durchgeführt werden können. Auf Grund der vorliegenden Studienlage sind Empfehlungen für katheterunterstützte Klappeninterventionen zur Zeit nur auf dem Evidenzgrad C (Konsensusmeinung von Experten) möglich. Schlüsselwörter
Dieses Positionspapier ist eine gemeinsame Stellungnahme der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG) und der Österreichischen Gesellschaft für Thorax- und Herzchirurgie (ÖGTHC), die den gegenwärtigen Erkenntnisstand
Klappeninterventionen sowie Indikationsalgorithmen abgibt. Bedingt durch technologischen Fortschritt und der Suche nach möglicher Weise schonenderen, minimal invasiven Behandlungsmethoden für Herzklappenerkrankungen stehen seit einigen Jahren Konzepte zur Verfügung die als kathetergeführte Herzklappeninterventionen bezeichnet werden und seit 2006 auch in Österreich [1, 2] zum Einsatz kommen. Der erfreuliche Anstieg der Lebenserwartung führte zu einem Anstieg der Klappenerkrankungen des älteren und auch viel kränkeren Menschen. Die kathetergeführten Herzklappeninterventionen stellen insbesondere deswegen eine einzigartige Therapieoption dar, da sie 1. den Klappeneingriff bzw. die Klappenimplantation für Patientengruppen ermöglichen, die bislang wegen Komorbiditäten nicht in Betracht kamen, oder ein übergroßes Risiko hatten, 2. eine ganz neue und viel engere Interaktion, beginnend von der Indikationsstellung bis zur Intervention selbst, zwischen Kardiologen und Herzchirurgen erfordern, beginnend bei der Indikationsstellung bis zur Intervention selbst, 3. besondere peri- und postinterventionelle Komplikationen aufweisen können, die ein spezielles Management erforderlich machten [3-14], 4. eine besondere Geräteausstattung verlangen, die am besten in sog. Hybrid-OPʼs realisiert werden kann. 5. ein intensives strukturiertes Training erfordern, um die Einarbeitung zu beschleunigen Die ÖKG und die ÖGTHC sehen es deswegen als ihre Aufgabe an, diese neuen Therapieformen durch ein nationales Positionspapier zu unterstützen und Standards für ihre Anwendung zu erarbeiten, ergänzend zu europäischen und US-amerikanischen Positionspapieren [15, 16]. Methodik
Als Grundlage zur Erstellung dieses Positionspapiers dienten die Leitlinien der europäischen Gesellschaften, Literaturrecherchen über PubMed, sowie direkte Angaben der Industrie. 1. Allgemeines
1.1. Indikationsstellung
Die Indikation zu katheterunterstützten Klappeninterventionen sollte immer in einer gemeinsamen Konferenz zwischen Kardiologen und Herzchirurgen für jeden Patienten individuell gestellt werden. Die konventionelle chirurgische Rekonstruktion bzw. der chirurgische Klappenersatz ist standardisiert und stellt den Goldstandard in der Behandlung von Herzklappenfehlern dar [17]. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand kommen katheterunterstützte Klappeninterventionen insbesondere bei Patienten mit angeborenen und erworbenen Herzklappenfehlern infrage, bei denen operative Herzklappeneingriffe, wenn überhaupt, nur mit sehr hohem Risiko durchgeführt werden können, z. B.: 1. ältere Patienten, bei denen ein extrem hohes Operationsrisiko anhand des STS- oder Euroscores antizipiert werden kann 2. am Herzen voroperierte Patienten mit zusätzlich erhöhten Risiko/Komorbitäten 3. Patienten mit schwerster Sklerose der Aorta aszendens (z.B. Porzellanaorta) 4. Patienten mit einer degenerierten Bioprothese Es muss bedacht werden, dass die derzeit verwendeten Risiko-Scores (EuroScore, STS-Score) für dieses Patientenkollektiv nicht validiert worden sind. Insbesondere der Euroscore überschätzt die antizipierte Letalität des chirurgischen Klappenersatzes bzw. Klappenrekonstruktion erheblich. Auf Grund der vorliegenden Studienlage sind Empfehlungen für katheterunterstützte Klappeninterventionen zur Zeit nur mit dem Evidenzgrad C (Konsensusmeinung von Experten) möglich. 1.2. Voraussetzungen
1.2.1. Organisatorisch Die Durchführung des Eingriffes und die Indikationsstellung ohne enge Zusammenarbeit zwischen Herzchirurgie und Kardiologie bzw. pädiatrische Kardiologie werden von der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft und der Österreichischen Gesellschaft für Thorax- und Herzchirurgie als nicht adäquat erachtet. Die Verfügbarkeit und Anwesenheit von sowohl Herzchirurgen als auch interventionellen Kardiologen im Haus erscheint zwingend nötig, da das Management von potentiellen peripher-vaskulären, aortalen, koronaren oder anderen kardialen Komplikationen die sofortige fachliche Kompetenz von Herzchirurgen und interventionellen Kardiologen erforderlich macht. Darüber hinaus ist die enge Zusammenarbeit mit einem in der Herzchirurgie ausgewiesenen Anästhesisten notwendig. 1.2.2. Apparativ Apparativ bzw von Seiten der Instrumente und des Materials muss das gesamte Repertoire für Herzchirurgie und interventionelle Kardiologie verfügbar sein. Unabdingbare technische Voraussetzungen für katheterunterstützte Klappeninterventionen ist der Einsatz einer adäquaten Röntgentechnik und transösophagealen Echokardiographie. Neben Herzkatheteranlagen für transfemorale Prozeduren kann der Einsatz eines C-Bogens modernster Bauart und Technologie in einem geeigneten Herzoperationssaal für transapikale Prozeduren als vorübergehende Alternative akzeptiert werden. Mittelfristig ist aber in allen Abteilungen, wo katheterunterstützte Klappeninterventionen durchgeführt werden, die Einrichtung eines Hybrid-OPʼs zu fordern. Für alle Prozeduren ist auch eine komplette anästhesiologische Ausstattung mit spezifisch kardiologischer/herzchirurgischer Auslegung nötig. Der Einsatz von mechanischen kreislaufunterstützenden Systemen wie Herz-Lungen-Maschine muss jeder Zeit gewährleistet sein. Im Idealfall sollten diese Systeme im Operations/Interventionsraum vorhanden sein. 2. Spezielles
2.1. Aortenklappe
2.1.1. Vorbemerkungen Bei der katheterunterstützten Aortenklappenimplantation (transcatheter aortic valve implantation = TAVI) wird in die degenerierte Aortenklappe eine auf einem Stent fixierte Klappenprothese implantiert. Die native Aortenklappe verbleibt dabei in situ. 2.1.2. Indikation
Bei symptomatischen Patienten mit höhergradiger Aortenklappenstenose und sehr hohem operativen Risiko (siehe Punkt 1.1) kommt die TAVI als alternatives Behandlungskonzept in Frage. Trotz der bestehenden Limitationen der verfügbaren Scoringsysteme wird empfohlen nur Patienten über 75 Jahre und/oder mit einem logistischen EuroScore >15% und STS-Score > 10% oder Kontraindikationen für einen konventionellen Aortenklappenersatz für eine TAVI zu evaluieren. Die Einschränkung des Verfahrens auf diese Patientengruppe ist sinnvoll, da alle bislang vorliegenden Studien zur TAVI eine Letalität in dieser Patientengruppe von ca. 10% gezeigt haben, sodass eine Ausweitung der TAVI auf Patientengruppen mit niedrigerem Risiko gegenwärtig nicht zu rechtfertigen ist, aber bisher auch nicht getestet wurde. Eine Änderung der gegenwärtigen Indikationsstellung, sollte von den Ergebnissen randomisierter Studien abhängig gemacht werden. Das US Partner Trial randomisierte diejenigen Patienten, denen wegen hohen perioperativen Risikos kein konventioneller Aortenklappenersatz angeboten werden konnte, in eine Gruppe mit medikamentöser Standardtherapie
Aortenklappenimplantation durchgeführt wurde. Das Überleben im TAVI-Arm war signifikant besser im Vergleich zur medikamentösen Standardtherapie. Zur Beurteilung der technischen Durchführbarkeit einer TAVI müssen u.a. folgende Punkte zusätzlich evaluiert werden: Anatomie und Durchmesser der Aortenwurzel, Morphologie der Aortenklappe, Abstand der Koronararterien von der Klappe, der Winkel zwischen Ausflussbahn und Aorta, Dicke des Ventrikelseptums, Anatomie des Aortenbogens und der Aorta descendens, der Durchmesser, Verlauf und Sklerosierungsgrad der peripheren Arterien Die Indikation sollte zurückhaltend gestellt werden bei geriatrischen Patienten und bei Patienten deren Lebenserwartung aufgrund von Multimorbidität vermutlich niedriger als 1 Jahr ist. 2.1.3. verfügbare Systeme 2.1.3.1. Systeme mit CE-Zertifizierung 1. Medtronic CoreValve® (Firma Medtronic, Minneapolis, Minnesota, USA), bestehend aus einem selbstexpandierenden Nitinolstent in Kombination mit einer Schweineperikardklappe, welches nur transfemoral oder transaxillar zur Verfügung steht. Der Innendurchmesser der erforderlichen Schleuse muss derzeit 18 French betragen. 2. Edwards SAPIEN® (Firma Edwards, Irvine, CA, USA), welches sowohl transfemoral als auch transapikal eingesetzt werden kann und einen ballonexpandierenden Stent in Kombination mit einer Rinderperikardklappe besitzt. Das System liegt mittlerweile in 2 Versionen vor. a. SAPIEN: Stahlstent, mit den Klappengrößen 23mm und 26mm. b. SAPIEN XT: Cobalt-Chrom Stent. Für den transapikalen Zugang ist eine zusätzliche Klappengröße von 29mm verfügbar. Das neue Stentdesign führte zu einer Reduktion des Innendurchmessers der Schleuse auf 18 bzw. 19 French.
Die Entscheidung, welches der beiden Systeme beim individuellen Patienten zum Einsatz kommt, ist patienten- und untersucherabhängig. Eine vergleichende Bewertung für den transapikalen und transfemoralen Zugang ist aufgrund der Verschiedenartigkeit der Patientenkollektive nicht möglich und auch nicht sinnvoll. Bei Patienten mit ungeeignetem transfemoralen Zugang bietet sich der transapikale oder allenfalls der transaxilläre Zugang an. 2.1.3.2. Systeme ohne CE-Zertifizierung Mehrere andere Systeme sind teils im experimentellen Entwicklungsstadium, teils in klinischer Erprobung. Keines dieser Systeme hat bislang jedoch klinische Reife erlangt oder eine CE-Zertifizierung erhalten. Die momentan vorliegenden Daten lassen auf Grund der Unterschiede in den Patientenkollektiven keinen Vergleich zu. 2.1.4.Technik der Implantation
Die transfemorale TAVI (TF-TAVI) oder transaxilläre TAVI (TAX-TAVI) wird in Intubations-Narkose oder Analgosedierung, die transapikale TAVI (TA-TAVI) nur in Intubations-Narkose durchgeführt. Eventuelle Koronarstenosen können in einer Sitzung oder zweizeitig vorher durch eine PCI behandelt werden. Der eigentlichen Klappenimplantation vorausgehend wird eine Ballonvalvuloplastie durchgeführt. Um eine stabile Ballonplatzierung zu erzielen, wird das Schlagvolumen durch schnelles Pacing mit einer Frequenz von 180-220 Schlägen pro Minute stark herabgesetzt. Auch während der Implantation einer ballonexpandierbaren Klappe ist schnelles Pacing notwendig. Bei der Implantation eines selbst expandierenden Systems ist dies nicht nötig. Der operative oder interventionelle Verschluss der Punktionsstelle nach transfemoralem Zugang erfolgt möglichst erst nach einer Angiographie, um eventuelle Gefäßverletzungen zu diagnostizieren [18]. Nach der Intervention sollte insbesondere bei selbstexpandierenden Klappen auf AV- und intraventrikuläre Leitungsverzögerungen geachtet werden. Die Indikation zum Belassen der temporären Schrittmachersonden sollte großzügig gestellt werden, da insbesondere bei selbstexpandierenden Klappen auch späte AV-Blockierungen durch septale Irritationen auftreten können. Eine Intensivüberwachung über 24 Stunden nach TAVI ist in jedem Falle anzuraten. Die meisten Autoren empfehlen für 4–24 Wochen eine duale Plättchenhemmung (ASS + Clopidogrel), für die es allerdings keine Evidenz gibt, gefolgt von einer lebenslangen ASS-Behandlung (100mg/d). Sollte eine Indikation zu einer oralen Antikoagulation bestehen (z.B. Vorhofflimmern, mechanische Mitralklappenprothese), ist die Notwendigkeit einer zusätzlichen Plättchenhemmung nicht gesichert und individuell zu entscheiden. 2.1.5. Ergebnisse
Die Ergebnisse der wesentlichsten Studien sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Durchschnittlich sanken die maximalen Gradienten über der Aortenklappe von 80mmHg präoperativ auf etwa 19mmHg postinterventionell. Bei 92-95% der Patienten war ein paravalvuläres Leck kleiner oder gleich Grad 2 zu beobachten.
Die rezentesten Studien sind in Tabelle 2 dargestellt. Nach Implantation einer Sapienklappe sank der mittlere Gradient über der Aortenklappe im Durchschnitt auf 12mmHg. Dieser Gradient blieb über die ersten 2 Jahre im
Wesentlichen gleich. Paravalvuläre Lecks Grad 1 waren bei 11%, Grad 2 bei 12% und größer als Grad 2 nur bei 2% der Patienten zu beobachten.
Die Studien über den transfemoralen Zugang sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Bezüglich der Klappenfunktion, Gradienten und paravalvulären Lecks sind die Daten mit jenen der transapikalen Implantation vergleichbar. 2.1.6. Aortenklappenregister
Die Österreichische Kardiologische Gesellschaft (ÖKG) und die Österreichische Gesellschaft für Thorax- und Herzchirurgie (ÖGTHC) planen die Errichtung eines Aortenklappenregisters, welches per 1.1.2011 geführt werden soll. In dieses Register sollen alle in Österreich durchgeführten Aortenklappenoperationen und Aortenklappeninterventionen eingeschlossen werden. Durch Erhebung der Daten aller chirurgisch durchgeführten Aortenklappenersätze, sowie aller chirurgisch oder interventionell durchgeführten Aortenklappenimplantationen sollen umfassende Daten über Kurz- und Langzeitergebnisse der verschiedenen Verfahren gewonnen werden. Die Teilnahme am Register wird dringend empfohlen und sollte verpflichtend sein.
2.2. Pulmonalklappe
2.2.1. Vorbemerkungen Die perkutane Pulmonalklappen-Implantation (Percutaneous Pulmonary Valve Implantation = PPVI), welche 2000 zum ersten Mal bei einem 12 jährigen Jungen [33] durchgeführt wurde, ist eine rezente Weiterentwicklung der interventionellen Behandlungsoptionen bei Patienten mit einem zumeist angeborenen Herzfehler und einer daraus resultierenden Dysfunktion des rechtsventrikulären Ausflusstraktes (Right Ventricular Outflow Tract = RVOT). Betroffen sind vor allem Patienten nach Korrektur einer Fallot´schen Tetralogie, nach einer ROSS- Operation, nach Korrektur einer Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt und anderen angeborenen Herzfehlern wie zum Beispiel einer Rastelli-Operation bei Transposition der Großen Arterien (TGA). Ein signifikanter Teil dieser Patienten, bei denen eine chirurgische Korrektur mittels eines Conduits zwischen dem rechten Ventrikel und der Pulmonalarterie (PA) durchgeführt wurde, präsentieren sich im weiteren Leben mit einer Conduit-Stenose und/oder –Insuffizienz [34]. Eine Conduit-Stenose kann mittels Ballondilatation und Stentimplantation behandelt werden [35-37], eine Conduit-Insuffizienz bedarf jedoch zumeist einer chirurgischen Korrektur. Wenn auch eine chirurgische Rekonstruktion des RVOT mit einer sehr geringen Mortalität durchgeführt werden kann [38,39], beträgt die Haltbarkeit der klappentragenden Conduits häufig weniger als 10 Jahre [40-45]. Aus diesem Grund muss ein Großteil der PatientInnen mit einem Conduit in RVOT-Position mit multiplen Operationen am offenen Herzen rechnen. Die perkutane Implantation einer Klappe in Pulmonalposition scheint in geeigneten Fällen eine sichere und praktikable Behandlungsmethode für Patienten mit Conduit-Stenosen und Insuffizienzen zu sein [46-48]. 2.2.2. Indikation Empfehlungen für die PPVI liegen zur Zeit weder von der European Society of Cardiology (ESC), des American College of Cardiology (ACC) oder der American Heart Association (AHA) vor. Die Food and Drug Administration (FDA) sieht die Indikation für eine PPVI als Alternative zum chirurgischen Eingriff unter folgenden Bedingungen als gegeben an: -RVOT-Conduit mit einem Diameter > 16mm bei der ursprünglichen Implantation -RVOT-Dysfunktion, bei der die klinische Indikation zu einer Intervention besteht, bedingt durch eine mittel- höhergradige Insuffizienz oder eine Stenose mit einem mittleren RVOT-Gradienten > 35 mmHg. 2.2.3. verfügbare Systeme Zurzeit stehen zwei CE-geprüfte perkutane Pulmonalklappen zur Verfügung. 1. Melody® -Klappe (Firma Medtronic, Minneapolis, Minnesota, USA), dabei handelt es sich um eine bovine Jugularvene, die in einem ballonexpandierbaren 28 mm Platin–Iridium-Stent eingenäht wird und mittels eine speziellen Delivery-Systems (Ensemble®-System) geschützt in Position gebracht und erst am Zielort freigesetzt wird. Der Außendurchmesser der Schleuse beträgt 22 French. 2. Edwards SAPIEN® System (Firma Edwards, Irvine, Kalifornien, USA), bestehend aus einem ballonexpandierbaren 14,5 und 16 mm Edelstahl-Stent in Kombination mit einer 23 und 26 mm Rinderperikardklappe (gleiche Größen wie für die Aortenklappe) 2.2.4.Technik der Implantation Die transfemorale PPVI kann in Narkose oder Analgosedierung durchgeführt werden. Als Zugang werden die Vena femoralis (oder Vena jugularis interna) und die Arteria femoralis gewählt. Es wird eine standardisierte Rechts- und Linksherzkatheteruntersuchung für die hämodynamische und anatomische Evaluierung, sowie eine Pulmonalisangiographie zur Beurteilung der Anatomie des RVOT und der PA durchgeführt. Vor der eigentlichen Melody-Klappenimplantation wird ein Stent im RVOT platziert um eine bessere Verankerung der Klappe zu ermöglichen. Postinterventionell wird in den meisten Zentren eine duale Plättchenhemmung mit ASS und Clopidogrel über zumindest 6Monate empfohlen.
2.2.5. Ergebnisse Weltweit wurde bisher (Stand Mai 2010) bei circa 1000 Patienten in ungefähr 100 Zentren eine Melody-Klappe implantiert. In die größte Untersuchung, die an einem einzigen Zentrum durchgeführt wurde, inkludierten Bonhoeffer et al [51] in dem Zeitraum von 2000-2007 155 Patienten für eine PPVI. Die Überlebensrate nach 83 Monaten betrug 96.9%. Es konnte eine signifikante Reduktion des RV-systolischen Druckes (von 63 ± 18 mmHg auf 45 ± 13 mmHg; p < 0.001) und des RVOT Gradienten (von 37 ± 20 mmHg auf 17 ± 10 mmHg; p < 0.001) beobachtet werden. Das ereignisfreie Überleben ohne Reoperation lag nach einem Jahr bei 90% und nach sechs Jahren bei 70%. Das ereignisfreie Überleben ohne Katheter-Reintervention lag nach einem Jahr bei 95% und nach sechs Jahren bei 73% (± 6%). Zu den prozedurale Komplikationen bei einer PPVI gehören abgesehen von der sehr niedrigen Mortalität das Risiko einer Stentfraktur, einer Endokarditis, einer Hämolyse und das Fortbestehen eines Restgradienten. In einer rezenten Arbeit [49] werden die Erfahrungen mit der Edwards SAPIEN Klappe in Pulmonalklappenposition bei 7 Patienten im Alter von 16-52 Jahren berichtet, welche ähnliche Ergebnisse wie mit der Melody-Klappe zeigen.
Die Resultate für die PPVI sind ermutigend und legen nahe, dass dadurch die Anzahl der Operationen und die kumulative hämodynamische Belastung des rechten Ventrikels bei Patienten mit angeborenen und erworbenen Herzfehler reduziert wird und so möglicherweise dazu beiträgt die Lebenserwartung und Lebensqualität bei diesen Patienten zu erhöhen.
2.3. Mitralklappe
2.3.1. Vorbemerkungen Die Mitralklappe bildet mit ihrem subvalvulären Apparat und dem linken Ventrikel eine anatomisch wie funktionell komplexe Einheit. Die chirurgische Rekonstruktion der Mitralklappe stellt den Goldstandard in der Therapie dar. Verfeinerte, teils minimalinvasive Techniken erlauben es, in einem chirurgischen Eingriff die Mitralklappe zu rekonstruieren und damit komplett abzudichten. Dies ist möglich, da alle Techniken wie zum Beispiel die Verkleinerung und Raffung des Mitralklappenanulus, die Resektion prolabierter Segelanteile, der Sehnenfadentransfer, das Einziehen neuer künstlicher Sehnenfäden, die Verkürzung oder das Versetzen der Papillarmuskel, die Verringerung oder Vergrößerung der Segelhöhen und die Entfernung von Verkalkungen eingesetzt werden können. Bei Hochrisikopatienten kann es sinnvoll sein alternative Verfahren anzuwenden um das Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko dieser Patienten zu senken. Da keines der derzeit verfügbaren katheterunterstützten Systeme alle möglichen und oft notwendigen chirurgischen Techniken in sich vereint, ist derzeit nur eine Verringerung der Mitralklappeninsuffizienz, jedoch keine vollständige Rekonstruktion respektive Sanierung der Mitralklappe erzielbar. 2.3.2. Indikation Da mit diesen katheterunterstützten Verfahren noch keine großen Serien und keine Langzeit Erfahrungswerte vorliegen, bleibt die Indikation und die Wertigkeit dieser Verfahren abzuwarten. 2.3.3. verfügbare Systeme 2.1.3.1. System mit CE-Zertifizierung MitraClip; Abbott Laboratories, Abbott Park, Illinois, USA Dieses System besteht aus einem Clip mit 2 Armen, die über einen Mechanismus geöffnet und geschlossen werden können. Der Clip ist mit einem Polyester Gewebe überzogen um das Einwachsen von Gewebe zu erleichtern. Auf dem Sektor der Mitralklappenrekonstruktion gibt es eine Unzahl von verschiedenen Systemen die derzeit teils im Entwicklungsstadium, teils in ersten klinischen Serien eingesetzt werden. Auf dem Sektor der Mitralklappenimplantation ist die Möglichkeit zu erwähnen in eine degenerierte Bioprothese eine Edwards-Sapien Klappe (siehe 2.1.3.1.2) zu implantieren (Valve in Biovalve). Zu diesem Verfahren gibt es in der Literatur und auf persönlicher Kommunikationsebene einzelne Fallberichte. Die Verwendung in dieser Position entspricht aber einem sogenannten „off-label-use“. 2.3.4.Technik der Implantation Der Eingriff mit dem MitraClip wird in Intubationsnarkose durchgeführt. Über einen transvenösen Zugang wird das interatriale Septum punktiert und ein 24 French Führungskatheter in den linken Vorhof eingebracht. Unter Durchleuchtung und Führung durch transösphagealen Herzultraschall wird der Clip durch das Zentrum der Klappe geführt. Durch Zurückziehen des Systems werden die freien Ränder des vorderen und hinteren Mitralsegels erfasst und dann der Clip geschlossen. Sollte die Mitralinsuffizienz nicht signifikant verbessert sein, kann entweder der Clip repositioniert werden, oder ein zweiter Clip abgesetzt werden. 2.3.5. Ergebnisse In der EVEREST I Studie [50, 51], einer Phase I Studie wurden 27 Patienten mit mittel bis hochgradiger Mitralinsuffizienz und eingeschränkter Linksventrikelfunktion (LVEF <60%, oder linksventrikulärem endsystolischem Durchmesser >45mm) eingeschlossen. Alle Patienten waren Kandidaten für eine chirurgische Mitralklappenrekonstruktion. In 93% der Patienten war ein Prolaps eines oder beider Segel der Grund der Mitralinsuffizienz. Als Endpunkt wurde eine Verbesserung der MI auf ≤2+ definiert. In 24 von 27 Patienten konnten ein oder zwei (4 Patienten) Clips erfolgreich platziert werden. Nach 1 Monat war die MI ≤2+ in 14
Patienten, nach 6 Monaten war die MI ≤2+ in 13 Patienten. 6 Patienten, die nach perkutaner Clip Applikation eine MI aufwiesen, wurden chirurgisch rekonstruiert. In einer Untersuchung an 107 Patienten [52] konnte bei 74% der Clip erfolgreich platziert werden. Bei 30% der Patienten war innerhalb der ersten 3 Jahre eine chirurgische Mitralklappenrekonstruktion erforderlich. Die Platzierung des Clips führte zu einem signifikanten aber klinisch nicht bedeutsamen Anstieg des des mittleren Gradienten über der Mitralklappe von 1.9 mmHg auf 3.4 mmHg nach 12 Monaten [53].
2.3.6. Conclusio Zum derzeitigen Stand ist mit katheterunterstützen Systemen lediglich eine Verringerung der Mitralinsuffizienz aber keine vollständige Rekonstruktion der Mitralklappe erreichbar. Die Wertigkeit dieser Verfahren in Bezug auf deren Indikation und Langzeiteffekte bleibt daher abzuwarten.
3. Tabellen
Tab. 1. Katheterunterstützte Aortenklappenimplantation mit dem Medtronic CoreValve® System: Übersicht klinischer Studien
Tab. 2. Katheterunterstützte Aortenklappenimplantation mit dem Edwards SAPIEN® System transapikal: Übersicht klinischer Studien
Tab. 3. Katheterunterstützte Aortenklappenimplantation mit dem Edwards SAPIEN® System transfemoral: Übersicht klinischer Studien
Legende n _ Anzahl der Patienten; logES _ Logistischer EuroScore in Prozent; PM _ Schrittmacher; Ref Nummer in der Literaturangabe; Überleben, Insult und PM in Prozent
4. Literatur
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