Deutscher Bundesverband der akademischen Sprachtherapeuten Vertretung der Sprachheilpädagogen, Klinischen Linguisten, Klinischen Sprechwissenschaftler, Patholinguisten Tabletten gegen Aphasie?
„Forschung ist die beste Medizin“ steht in gut lesbaren weißen Lettern auf einem knallroten T-shirt – getragen von einem Betroffenen, der einen Schlaganfall überlebt hat. „Dass ich überhaupt wieder sprechen kann, verdanke ich Medikamenten“, wird er zitiert. Eine farbige Anzeige, 9x13cm groß, gleich neben der Schlagzeile, zwar nicht einer der besten, aber doch einer der meist gelesenen Tageszeitungen in Deutschland. Dieselbe Botschaft der forschenden Pharma-Unternehmen hören und sehen wir zur Zeit in einem 20-Sekunden-Spot zur Prime-Zeit im Fernsehen.
Sie ist richtig. Denn sie bedeutet: In der Frühbehandlung des Schlaganfalls werden heute pharmakologische Substanzen eingesetzt, wodurch die Überlebensraten erheblich gestiegen sind. Auch der Erholungsverlauf nach intrazerebralen Durchblutungsstörungen kann medikamentös
Thrombolytische Substanzen stellen den Blutfluss in unterversorgten Hirnarealen wieder her, neuroprotektive Wirkfaktoren
Pharmakotherapie verstärkt Nervenzellwachstum und erhöht Neurotransmitterkonzentrationen. Die Wahrscheinlichkeit, einen Schlaganfall zu überleben und mit geringeren motorischen, sprachlich-kognitiven und emotionalen Einschränkungen zu bewältigen, ist in den letzten Jahren dank medizinischer und pharmazeutischer Forschung erheblich gestiegen. Nur, wer die Intensivstation oder eine der hoch spezialisierten Frühbehandlungseinrichtungen, sogenannte „Stroke-Units“, lebend und mit gutem Restitutionspotential wieder verlässt, hat überhaupt eine Chance wieder sprechen zu lernen. Da gilt kein Aber, nur Respekt.
Und doch: die Werbung suggeriert noch etwas anderes, denn hoffende Aphasie-Patienten und skeptische Sprachtherapeuten fragen nach. Gibt es Tabletten gegen Aphasie?
Und da heißt die Antwort leider nein. Was es gibt, sind pharmakologische Substanzen wie z.B. Piracetam, Piribedil, Selegeline, Bromocriptin, d-Amphetamine und Dextran 40, deren Einfluss auf die Erholung und Rehabilitation nach einem apoplektischen Insult auch in Bezug auf die sprachliche Restitution untersucht wurde. Die Versuchsgruppe, die verwendete Methode und die verabreichte Substanz sind dabei von entscheidender Bedeutung für das Ergebnis und die Aussagekraft einer Untersuchung.
So berichten z.B. McNeil et al. (Aphasiology 11, 4, 1997) von einer multiplen-Baseline-Studie mit zwei Aphasiepatienten. Diese erhielten im systematischen Wechsel eine lexikalisch-semantische Therapie mit bzw. ohne Placebo- bzw. Medikamentengabe (d-Amphetamine und Selegiline). Es zeigte sich, dass die reine Placebo- oder Pharmako-Therapie keine sprachlichen Verbesserungen bewirkte, sondern beobachtete sprachliche Lern- und Langzeiteffekte auf die Wirkung der beschriebenen lexikalisch-semantischen Therapie zurückzuführen waren.
Eine Meta-Analyse von Greener et al. (The Cochrane Library, 4, 2003) erbrachte, dass von den 52 analysierten Studien diejenigen eine positive medikamentöse Beeinflussung sprachlicher Parameter
fanden, in denen Piracetam verwendet wurde. Keine Aussagen waren aber dahingehend möglich, ob die medikamentöse Behandlung effektiver ist als die sprachtherapeutische.
Huber et al. (Arch. Phys. Med. Rehabil., 78, 1997) führten mit 66 Patienten mit unterschiedlicher Form und Schwere von Aphasie eine placebokontrollierte Doppelblind-Studie mit Parallelgruppen-Design durch. Untersucht wurde, ob sich Sprachfunktionen, gemessen mit dem AAT, unter Piracetam in Kombination mit intensiver sprachtherapeutischer Behandlung stärker verbessern als unter Sprachtherapie allein. Huber und Kollegen fanden in der Gruppe, die das Medikament erhielt, einen Trend in Richtung Besserung für alle Subtests des AAT, der für die „Gesamtbeurteilung“ der Aphasie und im Untertest Schriftsprache statistisch signifikant war. Die Autoren folgern aus ihrer Studie, dass Piracetam bei Patienten in intensiver sprachtherapeutischer Behandlung einen unterstützenden, positiven Einfluss auf die Besserung von Aphasien zu besitzen scheint. Kessler et al. (Stroke, 31, 2000) bestätigen diese Befunde. Im Rahmen einer PET und MRI-kontrollierten Studie mit 24 Aphasiepatienten konnten auch sie zeigen, dass Piracetam die Spracherholung unter Sprachtherapie fördert und dieser Effekt mit einer spezifischen Blutflussaktivierungserhöhung in der linken Sprachregion einhergeht.
Eine besondere Wirkung auf die sprachlichen Leistungen scheint Bromocriptin zu haben, wenn es bei einer transcortikal-motorischen Aphasie verabreicht wird. Schmidt & Uhlmann (Sprache Stimme Gehör, 23, 1999) beschreiben eine Patientin mit einer schweren Aphasie sowie einer ideomotorischen Apraxie und einer deutlich reduzierten Antriebslage, die im klinischen Spontanverlauf zunächst ein deutlich verbessertes Sprachverständnis mit nahezu intaktem Nachsprechen, aber deutlich reduzierter Spontansprache zeigte. Nach Bromocriptin-Gabe war innerhalb von zwei Tagen eine deutliche Verbesserung ihrer Spontansprache zu beobachten und in einer Kontrolluntersuchung 5 Monate später zeigte die Patientin keine aphasischen Auffälligkeiten mehr. Die Wirkung führen die Autoren aber nicht auf einen Reorganisationseffekt der sprachverarbeitenden Systeme zurück, sondern auf eine Modulierung der Hemmung, Erregung und Bahnung der thalamo-cortikalen Interaktion. Das heißt, die transcortikal-motorische Aphasie wird als Sprachakinesie, als Sprachantriebshemmung, interpretiert. Pharmakologisch ausgedrückt, verbessert die Gabe des Dopa-Agonisten Bromocriptin offensichtlich die Dopaminmangelsituation in der thalamo-cortikalen Schleife und somit die Sprachproduktion.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Kombination geeigneterpharmakologisch wirksamer Substanzen, insbesondere Piracetam, mit intensiver Sprachtherapie, die Restitution sprachlicher Leistungen deutlich verbessert. Als Wirkmechanismus ist die Regulation der Hemmung, Erregung und Bahnung in den cortikalen und subcortikalen sprachverarbeitenden Zentren anzunehmen, nicht aber deren linguistische Reorganisation. Nach dem derzeitigen Stand der Forschung kann also eine Pharmakotherapie eine traditionelle Sprachtherapie nicht ersetzen, wohl aber deren Effektivität erhöhen.
Besucht man die oben erwähnte Werbekampagne im Internet unfindet man unter >mehr lesen dann auch die differenziertere Version: „Vor 17 Jahren erlitt Friedrich Müller einen Schlaganfall. Zunächst konnte er weder sprechen noch laufen. Krankengymnastik, Logopädie und Medikamente haben ihn wieder fit gemacht. Er kann zwar nicht mehr arbeiten, fährt aber wieder Auto und Fahrrad und kann wieder sprechen.“ Was die Werbeaktion betrifft, können wir nur neidisch auf beste Werbefläche und Sendezeit schauen und hoffen, dass die Verbandskasse irgendwann mal für ein blaues T-Shirt reicht: .auch Sprachtherapie ist eine gute Medizin.denn die Wirkung macht der Mensch.
Wer mehr zum aktuellen Stand der Forschung in Bezug auf die Evaluation von Aphasietherapie an sich wissen will, findet dazu z. B. eine Übersicht in dem Themenheft 6/04 der Sprachheilarbeit und im neuesten Tagungsband zum letzten dbs-Symposium „Aphasietherapie zeigt Wirkung“ (erscheint demnächst bei PROLOG). Außerdem veranstaltet die Gesellschaft für Aphasieforschung und –behandlung (GAB: www.aphasiegesellschaft.de) jährlich eine Tagung, auf der man sich über die neuesten Forschungsergebnisse in Deutschland und seinen Nachbarländern informieren kann.
1. Del Mar C, Doust J, Glasziou P Clinical thinking: evidence, communication, and decision-making. BMJ Books – Blackwell Publishing 2006. IBSN 0-7279-1741-2. 184 pages 2. Murray S, Del Mar C, (Medical Editors). Royal Australian College of General Practitioners: Complete Home Medical Guide. Revised, Ed 2. Camberwell, Australia: Dorling Kindersley, 2006 3. Del Mar C, Murray S, (Medical Editor
Simulated Docking of Oseltamivir with the 2009 Pandemic Strain Influenza A/H1N1 Neuraminidase Active Site Abstract Influenza neuraminidases are glycoproteins that facilitate the transmission of the influenza virus from cell to cell. Oseltamivir is the most widely used neuraminidase inhibitor. Here I provide a computational docking analysis of oseltamivir with the active site of t